Was ist Salutogenese?

Zwischen den Polen von Gesundheit & Krankheit

Das Konzept der Salutogenese wurde maßgeblich von dem amerikanisch-israelischen Epidemiologen und Medizinsoziologen Aaron Antonovsky seit den 1980er Jahren entwickelt. Seinem Konzept zufolge ist Gesundheit nicht als Zustand sondern als Prozess zu verstehen. Jeder Mensch -  ganz gleich, ob aktuell „gesund“ oder „krank“-  bewegt sich auf einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum zwischen diesen beiden Polen. Dabei kann das Pendel mal mehr in Richtung Gesundheit und mal mehr in Richtung Krankheit ausschlagen. Aber der Pol der Gesundheit ist nach Antonovsky immer präsent und erreichbar, diesem Modell zufolge ist der Mensch demnach nie „nur krank“, sondern immer auch gesund.

 

Anders als die Pathogenese, was übersetzt so viel heißt wie "Entstehung von Krankheit" fragt die Salutogenese nicht nach der Entstehung und den Ursachen von Krankheit sondern nach dem, was es dem Menschen ermöglicht, Gesundheit (= salus) zu entwickeln (= genese) gesund erhält. Damit hat sich Antonovskys Ansatz eindeutig vom klassischen medizinischen Verständnis gelöst, das grundsätzlich mit der Diagnostik und damit nach der Entstehung und den Bedingungen von Krankheit fragt.

Das Kohärenzgefühl und seine drei Hauptkomponenten

Im Modell von Antonovsky ist Krankheit nicht nur aus der Perspektive ihrer Entstehung zu betrachten, sondern sie ist immer als Herausforderung zu sehen, die der Mensch bewältigen kann. Oder anders ausgedrückt: Aus salutogenetischer Sicht haben Menschen immer die Möglichkeit, ihre gesunden Anteile und damit den Pol der Gesundheit zu stärken. Allerdings bedarf es Antonovsky zufolge hierfür einiger Voraussetzungen: Ganz wichtig ist das Gefühl von Kohärenz, also Stimmigkeit, das Menschen in den wichtigsten Bereichen ihres Lebens empfinden. Dieses Kohärenz- oder Stimmigkeitsgefühl setzt sich wiederum aus drei Komponenten zusammen : Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit.

 

Verstehbarkeit bedeutet, dass wir die eigene Umwelt und deren Herausforderungen als verständlich und erklärbar empfinden. Das heißt im Fall von Krankheit auch, dass wir diese verstehen und uns ihre Folgen und die Umgangsweise damit verstehen und erklären können und sie nicht als chaotisch, ungeordnet und unerklärlich erleben – auch wenn das z.B. im ersten Moment einer Diagnose so erscheinen mag. Aber im weiteren Verlauf kann eine andere Sichtweise entwickelt werden.

 

Handhabbarkeit bedeutet, dass wir das Vertrauen haben, aus eigener Kraft und/oder mit Unterstützung anderer Ressourcen – Lebenspartner, Freunde, Kollegen, Gott etc…. - Lebensaufgaben und Herausforderungen meistern können. Wenn dies gelingt, laufen wir weniger Gefahr, uns zu schnell als Opfer der Ereignisse zu empfinden sondern das Heft des Handelns trotz allem in der Hand zu behalten.

 

Sinnhaftigkeit heißt, dass wir alles, was uns im Leben widerfährt, als sinnvoll erleben, weil wir die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen als lohnenswert empfinden. Das heißt aber nicht, dass unliebsame Ereignisse willkommen geheißen werden, „(A)ber wenn diese unglücklichen Ereignisse eine solche Person treffen, wird sie bereitwillig die Herausforderung annehmen, wird entschlossen sein, darin einen Sinn zu suchen, und wird ihr Bestes geben, um sie mit Würde zu überstehen.“ (Antonovsky zit. nach Kaluza, Gert: Salute! Was die Seele stark macht. 2014, S. 39)